Das denken Konsumenten über KI

Künstliche Intelligenz (KI) wird in der ­Gesellschaft kontrovers diskutiert. Dabei gibt es erhebliche Unterschiede bei der Einschätzung der Risiken und Chancen, die sich durch die neue Technologie ergeben. Das zeigt eine repräsentative Befragung, die YouGov im Januar 2024 im Auftrag der gfu Consumer & Home Electronics durchgeführt hat. Besonders groß wird die Skepsis, wenn KI die persönlichen Lebenbereiche berührt.

Bei der allgemeinen Bewertung von KI zeigt sich in der Befragung kein eindeutiges
Bild.

Den zunehmenden Einsatz von KI insgesamt bewerten 50 Prozent ­sowohl positiv als auch negativ. Bei einem Drittel (33 Prozent) über­wiegen positive Einschätzungen, während 13 Prozent die Verbreitung von KI als eine eher oder sogar sehr negative Entwicklung sehen. Eine ­knappe Mehrheit von 52 Prozent befürchtet, dass KI in naher Zukunft ­negativen Einfluss auf menschliche Beziehungen haben wird, 15 Prozent glauben das nicht, ein Drittel (33 Prozent) ist bei dieser Frage unentschieden. Gut ein Drittel der Befragten (36 Prozent) erwartet von KI einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft, 25 Prozent erwarten das nicht, und 39 Prozent sind unentschieden.

Trotz aller Skepsis finden 59 Prozent der Befragten es positiv, wenn eine KI Routineentscheidungen übernimmt und z. B. die Leistung oder die Umwelteigenschaften von Produkten verbessert. Nur 15 Prozent sehen in solchen Anwendungen keinen Vorteil.

Je nach Anwendung werden Chancen und Risiken unterschiedlich bewertet. So überwiegt beim
Einsatz von KI im Human-Resources-Bereich und beim Kundendienst die Skepsis, während
die Unterstützung von Kommunikation, z. B. durch auto­ma­tische Über­setzungen, positiver gesehen wird. Je älter die Befragten sind, um so mehr überwiegt die Skepsis.

Das verschwommene Bild, das sich aus den Antworten auf die grundsätzlichen Fragen ergibt, wird klarer, wenn es um konkrete Anwendungen von KI geht: So sehen 41 Prozent eher ein Risiko, wenn KI für autonomes Fahren oder bessere Routenführungen eingesetzt wird; nur bei 30 Prozent der Befragten überwiegen die Chancen. Dabei zeigten sich die befragten Männer etwas aufgeschlossener (35 Prozent Risiko, 36 Prozent Chance) als Frauen, von denen 47 Prozent den Einsatz von KI im Mobilitätsbereich als Risiko, aber nur 24 Prozent als Chance bewerten. Von den Befragten in der Altersgruppe über 55 Jahren sehen mit 51 Prozent deutlich mehr mehr ein Risiko durch KI und nur 26 Prozent eine Chance. Dagegen führt ein Uni- oder Fachhochschulabschluss offensichlich zu positiveren Einschätzungen: Mit 39 Prozent ist die Gruppe derjenigen, die Chancen sehen, größer als die mit Risiko-Erwartungen (36 Prozent). 

Nähe erzeugt Skepsis

Positiver empfunden wird KI, wenn ihre Anwendung vom persönlichen Umfeld entfernt ist. So sehen 47 Prozent der Befragten den KI-Einsatz in der Industrieproduktion als Chance, aber nur 18 Prozent als Risiko. Dem intelligenten Bestellen von Waren, Rohstoffen und Zulieferteilen stehen 51 Prozent positiv gegenüber, nur für 17 Prozent überwiegen die Risiken. KI-unterstützter Service, z. B. die Wartung von Geräten, wird ebenfalls eher positiv gesehen (44 Prozent Chance, 22 Prozent Risiko).

Der Einsatz von KI im Gesundheitsbereich, z. B. bei der Analyse von Röntgenbildern, Erstellung von Therapieplänen oder in der Arzneimittelforschung wird von mehr Befragten (38 Prozent) als Chance und von weniger (33 Prozent) als Risiko gesehen. Im Büroalltag, also bei der Erledigung von Routinearbeiten, wird KI ebenfalls eher positiv gesehen.

In anderen Bereichen überwiegt dagegen das Risikoempfinden. Während bei Werbung, diemit Hilfe von KI personalisiert wird, die Werte für die Chancen (25 Prozent) noch relativ nahe bei denen für Risiken (32 Prozent) liegen, stößt die Anwendung von Künstlicher Intelligenz im Journalismus, z. B. beim Generieren von Texten, bei 54 Prozent der Befragten auf Ablehnung; nur 17 Prozent entdecken hier auch Chancen. Vorbehalte haben viele Menschen auch dann, wenn z. B. künstliche Intelligenzen Computerprogramme schreiben: bei nur 28  Prozent der Befragten überwiegen die Chancen, 40 Prozent sehen hier Risiken. Hier gibt es offensichtlich Befürchtungen, eine künstliche Intelligenz könne sich in Zukunft selbst program­mieren und kontrollieren.

Vorbehalte bei generativer KI 

Der Einsatz von KI für personalisierte Werbung, das Erstellen von journalistischen Texten und das Schreiben von Computerpro­grammen wird überwiegend kritisch gesehen.

Bei der Frage, ob generative KI-Technologien wie ChatGPT Schülerinnen und Schüler bei ihren Hausaufgaben helfen sollten, gibt es ein relativ eindeutiges Meinungsbild. 43 Prozent sehen es als Risiko, KI in der Ausbildung anzuwenden, um z. B. Texte und Zusammenfassungen zu schreiben; für 25 Prozent wäre dies aber eine Chance. Die Betroffenen selbst sehen das etwas anders: In der Altersgruppe der 18 bis 24jährigen überwiegen diejenigen, die Chancen für KI sehen (37  Prozent Chancen vs. 25 Prozent Risiko). Auszubildende (34 vs. 21 Prozent) und Studierende (41 vs. 34 Prozent) schätzen das ähnlich ein.

Positiv (45 Prozent) wird häufig bewertet, wenn KI bei der Kommunikation unterstützen soll, z. B. durch automatische Übersetzungen; nur 25 Prozent sehen hier ein Risiko. Wenn KI das Haus oder die Wohnung mit dem Auto intelligent vernetzen soll, sehen das 35 Prozent eher negativ, 31 Prozent entdecken hier auch Chancen. Den Einsatz von KI im Bereich von Sicherheit und Überwachung sehen 44 Prozent als Chance und nur 27 Prozent als Risiko. In diesem Bereich liegen die Prozentwerte bei Männern und Frauen nur um ein oder zwei Prozentpunkte auseinander. Bei allen anderen abgefragten Anwendungsfeldern gab es größere Unterschiede, die zum Teil im zweistelligen Prozentpunkt-Bereich liegen. Unter dem Strich sehen Frauen bei KI-Anwendungen eher Risiken und weniger Chancen als Männer. Und mit Bildung und Einkommen steigt die Aufgeschlossenheit gegenüber KI, mit zunehmendem Alter sind mehr Vorbehalte zu beob­achten.

Befürchtungen ernst nehmen

Obwohl viele der Befragen dem Einsatz von KI in bestimmten Bereichen eher positiv gegenüberstehen, zeige die Studie, dass Ängste vor der intelligenten Technik weit verbreitet seien, heißt es in einer Pressemitteilung der gfu. So befürchten 51 Prozent der Befragten, KI-gestützte Technologien könnten in Zukunft zu stark über Vorgänge in ihrem Leben bestimmen und ihnen die Möglichkeiten zu eigenen Entscheidungen nehmen. Nur 22 Prozent haben solche Befürchtungen nicht. Besonders ausgeprägt ist zudem die Angst vor Datenmissbrauch: Der Aussage: „Ich befürchte, dass KI-basierte technische Produkte vermehrt Daten sammeln, die missbräuchlich verwendet werden können“ stimmen zwei Drittel (67 Prozent) der Befragten zu.

„Auch wenn Produkte und Services, die mit Künstlicher Intelligenz arbeiten, schon längst – aber häufig unbemerkt – in der Lebensrealität vieler Menschen Einzug gehalten haben, so zeigt unsere Umfrage doch eine verbreitete Skepsis gegenüber der KI”, fasste Dr. Sara Warneke, Geschäftsführerin der gfu Consumer & Home Electronics GmbH, die Befragungsergebnisse zusammen. „Dabei werden KI-Anwendungen, die eher entfernt ablaufen, deutlich positiver gesehen als solche, die gefühlt nahe an den Menschen agieren. Um eine breitere Akzeptanz von KI zu erreichen, wird es wichtig sein, die Befürchtungen vor Datenmissbrauch und Ohnmacht gegenüber der Technologie ernst zu nehmen und auszuräumen. Gleichzeitig muss der Nutzen von Anwendungen deutlich kommuniziert werden, damit die Chancen stärker in den Vordergrund rücken.“

So kann KI für den Handel Nutzen bringen: Mit großen Datenmengen arbeiten

Dany Lyons

In der Industrie und im Handel kann KI ­vielfältige ­Aufgaben übernehmen, die über Spracherkennung, Bildoptimierung oder das Erstellen von Texten und ­Grafiken hinaus­gehen. Durch die Analyse von Unter­nehmens- und Vertriebsdaten, die mit externen Faktoren kombiniert werden, lassen sich überraschend präzise Vorhersagen gewinnen, um Ein- und Verkauf profitabler zu machen. Das jedenfalls sagt neuro­predictR, ein Unternehmen im Bereich Retail und ­Logistik, und bietet seinen Kunden an, mit Hilfe von ­Meta-AI komplexe Zusammenhänge in großen Datenmengen zu endecken, um zukünftige Entwicklungen vorherzusagen. Darüber hat die gfu mit dem CEO Dany Lyons ein Gespräch geführt, das wir hier wiedergeben.

Frage: Herr Lyons, warum soll der Handel Künstliche Intelligenz einsetzen – schließlich wissen die Unternehmen in der Regel doch auch so, wie ihr Geschäft funktioniert?

Dany Lyons: Eine erfolgreiche Geschäftstätigkeit basiert auf einer Vielzahl von Faktoren, die für sich genommen teilweise sehr komplex sind. Hinzu kommt, dass diese Faktoren sich meist gegenseitig beeinflussen. Das macht es für Menschen – auch für Menschen mit viel Erfahrung auf ihrem Geschäftsgebiet – meist sehr herausfordernd, wirklich treffsicher zu beurteilen, welche Strategie am ­erfolgreichsten ist. Eine KI – oder noch besser eine Meta-AI, die auf verschiedene KI-Sys­teme zurückgreift – kann problemlos mit großen Datenmengen arbeiten, um sehr exakt und extrem schnell zu beurteilen, wie gut sich eine Ware gewinnbringend vermarkten lässt.

Frage: Die KI bestimmt also den Preis eines Produktes?

Dany Lyons: Die KI kann sehr treffsicher voraussagen, wie lange ein Produkt mit einem bestimmten Preispunkt im Lager bleibt oder verkauft wird. Außerdem wird transparent, mit welchen Marketingaktionen ein Abverkauf beschleunigt werden kann. So lassen sich Lagerumschlag-Geschwindigkeiten optimieren, und natürlich kann auf Basis verschiedener durchgespielter Szenarien auch der Einkauf angepasst werden – und das nicht nur auf ein Produkt bezogen, sondern auf viele Tausend.

Frage: Welche Faktoren bezieht denn die KI in ihre Analyse mit ein?

Dany Lyons: Im Prinzip alles, was für den erfolgreichen Verkauf wichtig ist: Lagerdaten, Wettbewerbspreise, Einkaufspreise, Daten von Marketingaktionen. Die von uns verwendete Engine geht aber noch weiter und bezieht Daten aus zahlreichen externen Datenquellen ein, z. B. Wetter, Verkehr, Wirtschaftsindizes und soziodemografische Daten beim niedergelassenen Handel.

Frage: Ist das nicht sehr komplex und erfordert entsprechend viel Zeit, bis so ein System läuft?

Dany Lyons: Das von uns eingesetzte System basiert auf einer vollständigen Automatisierung. Wir brauchen keine Zeile Code zu schreiben, sondern benötigen lediglich eine Schnittstelle zu den Datensystemen des Kunden. Dann haben wir innerhalb von zwei Wochen erste handlungsrelevante Ergebnisse. Danach folgt eine Phase des aktiven Lernens, während der wir spezifische Fragen stellen und die Daten tiefgehend analysieren. Letztendlich haben wir nach rund 14 Wochen ein voll funktionsfähiges Produkt.

Frage: Das klingt so, als ob wir in der Handelslandschaft in Zukunft häufiger den Einsatz von Künstlicher Intelligenz erleben werden.

Dany Lyons: KI ist ein größerer Paradigmenwechsel als das Internet und das Smartphone zusammen. Der Einzelhandel wird sich in seiner Struktur und in der Art und Weise, wie Waren bereitgestellt und angeboten werden, massiv verändern. Dies wird nicht wie Anfang der 90er Jahre mit dem Internet ein langsamer Prozess sein, bei dem man erst mal zuschaut. Vielmehr wird es rasend schnell gehen. Die Lernkurven sind extrem progressiv, und nur ein paar Monate können einen entscheidenden Unterschied ausmachen. KI wird aber nicht nur im Retail, sondern in allen ­Bereichen, die unser Leben beeinflussen, zu massiven Veränderungen führen – in der Art und Weise, wie wir Themen analysieren, wie wir sie steuern und auch, wie wir sie umsetzen. Die Revolution hat schon längst begonnen.