Trotz der bekannten Herausforderungen blickt der Verband der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI) optimistisch ins Jahr 2022. Dabei soll die erfolgreiche Entwicklung des Vorjahres fortgesetzt werden. 2021 ist die Produktion zwischen Januar und November 2021 um gut 9 Prozent gestiegen, die nominalen Erlöse legten im gleichen Zeitraum um knapp 10 Prozent zu. Damit habe der Umsatz im Gesamtjahr erstmals knapp die 200-Milliarden-Euro-Marke erreicht, erklärte der Verband auf seiner Jahresauftakt-Pressekonferenz.
„Es ist der Branche im vergangenen Jahr sehr gut gelungen, die Pandemie-Situation zu managen”, erklärte ZVEI-Präsident Dr. Gunther Kegel. „Die von den Unternehmen getroffenen Sicherheitsmaßnahmen haben gegriffen. Wichtig ist, dass das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben weiter aufrechterhalten bleibt, auch wenn uns neue Virusvarianten vor neue Herausforderungen stellen.“ Selbstverständlich schließe dies notwendige Schutzmaßnahmen nicht aus.
Zu schaffen macht der Branche die anhaltende Materialknappheit. Ohne die vorhandenen Lieferengpässe hätte der Umsatz 2021 deutlich höher ausfallen und die 200-Milliarden-Euro Marke geknackt werden können sagte Kegel. Eine Besserung der Lage sei aber frühestens ab Jahresmitte zu erwarten.
Mit Blick auf die unter Druck stehenden globalen Lieferketten und die Vernetzung der Branche mahnt der ZVEI, die technologische Souveränität und Resilienz Europas dringend zu stärken. „Europa kann nur aus einer starken Position heraus seine Wirtschaftsinteressen gegenüber China und den USA selbstbewusst vertreten”, betonte Kegel. „Hierfür darf es keine einseitigen Abhängigkeiten geben, weder bei Spitzentechnologien wie Halbleiter noch in der Spitzenforschung.” Europa müsse mit eigenen Kompetenzen stark und souverän agieren können, ohne protektionistisch zu sein. Dazu müsse beispielsweise die EU das zweite IPCEI für Mikroelektronik jetzt schnell auf den Weg bringen. Dr. Kegel: „Wenn anderswo Milliarden-Förderungen erfolgen, darf Europa nicht zurückstehen.“
Auch wenn sich der ZVEI zuversichtlich für das Jahr 2022 zeigte, seien Prognosen von den anhaltenden Unsicherheiten geprägt, sagte der ZVEI-Präsident. „Stand heute gehen wir von einem Produktionsplus von 4 Prozent aus.“
Auf den Weg in die All-Electric-Society durch Elektrifizierung und Digitalisierung siegt der ZVEI die Politik am Zug. Ein Beispiel dafür sei der Klimaschutz: „Um die ambitionierten Klimaziele zu erreichen, muss die Elektrifizierung mit durchgängiger Kopplung der klimarelevanten Sektoren Energie, Industrie, Gebäude und Mobilität jetzt entschlossen angegangen werden“, erklärte Wolfgang Weber, Vorsitzender der ZVEI-Geschäftsführung. Bei intelligenter Verbindung und direkter Nutzung könne erneuerbarer Strom nicht nur eine zunehmend CO2-freie Energieversorgung ermöglichen, sondern auch hohe Energieeffizienzpotenziale generieren. „Durch Elektrifizierung kann der Primärenergiebedarf bis 2045, dem Zieljahr für Klimaneutralität, um mehr als 40 Prozent gesenkt werden“, betont Weber.
Die Technologien hierfür seien vorhanden, blieben aber weiterhin viel zu häufig ungenutzt, fügte Weber hinzu. Ein großer Schwachpunkt sei dabei der seit Jahren vernachlässigte Netzausbau. „Ohne ein leistungsstarkes, digitalisiertes Stromnetz kann die Energiewende nicht gelingen“, so Weber. Aber auch an anderen Stellen sieht der Verband großen Handlungsbedarf. „Die Infrastruktur in Deutschland insgesamt braucht eine Verjüngungskur“, erklärt der Vorsitzende der ZVEI-Geschäftsführung. Beispiel Gebäudesektor: „Der Großteil der Gebäude ist nicht Energiewende-fähig, die Sanierungsquote zu gering und die Elektroinstallationen sind häufig museumsreif.“
Es sei dringend geboten, tatsächlich „mehr Fortschritt zu wagen“. Dabei nimmt der Strompreis nach Ansicht von Weber eine Schlüsselrolle ein. Weber: „Um erneuerbaren Strom als vorrangigen Energieträger attraktiv zu machen, muss der Strompreis rascher gesenkt werden – für alle.“ Die Abschaffung der EEG-Umlage allein reiche nicht. Auch die Stromsteuer müsse abgesenkt und für erneuerbaren Strom vollständig reduziert werden, forderte Weber.