Das Recht auf Reparatur aus der Sicht von Euronics: Herausforderungen und Chancen

Verena Dvořák, Leiterin des Customer Service Centers bei Euronics Deutschland: „Wir haben bereits frühzeitig damit angefangen, die Service-Kompetenz unserer Mitglieder durch gezielte Maßnahmen zu stärken.”

Das von der EU festgelegte Recht auf ­Reparatur muss bis zum 31. Juli 2026 in ­nationale Gesetze umgesetzt werden. ­Während Industrie und Handel die Ziele der EU-Richtlinie begrüßen, herrscht in Deutschland auch zehn Monate vor der ­geplanten Verbindlichkeit immer noch ­Unsicherheit, was im Einzelnen auf die ­Branche zukommt. PoS-MAIL hat mit Verena Dvořák, Leiterin des Customer Service Centers bei Euronics Deutschland, darüber gesprochen, was sie vom Recht auf Reparatur erwartet und wie sie die Kooperation und ihre Mitglieder darauf vorbereitet.

PoS-MAIL: Frau Dvořák, bis zum 31. Juli 2026 soll die EU-Richtlinie zum Recht auf Reparatur in nationale ­Gesetze umgesetzt werden. Welche Veränderungen erwarten Sie von der neuen Rechtslage?

Verena Dvořák: Dazu könnte ich Ihnen sehr viel sagen, wenn das Bundesministerium der Justiz die vor vier ­Wochen erfolgte Zusage, dass wir zeitnah den Referenten-Entwurf zum Thema erhalten sollen, eingehalten hätte. Leider war das nicht der Fall. Aber natürlich wissen wir, dass die gesamte Branche vor einer großen Herausforderung steht. Denn bereits jetzt ist es für alle Beteiligten durchaus schwierig, die vielen ­Anforderungen rund um Gewährleistung und Reparatur zu erfüllen – schon allein wegen des bekannten Fach­kräftemangels. 

Dass sich diese Situation verschärft, wenn das Reparatur-Volumen weiter steigt, ist offensichtlich. Dazu kommen noch einige Faktoren, die sich direkt aus der EU-Richtlinie ergeben. So soll sich z. B. die gesetzliche Gewährleistungsfrist von 24 Monaten automatisch um 12 Monate verlängern, wenn innerhalb der Gewähr­leistung eine Reparatur durchgeführt wurde. Diese Verlängerung beginnt wohlgemerkt nach Ablauf der nor­malen Gewährleistungsfrist, und sie betrifft nicht nur das reparierte oder ausgetauschte Bauteil, sondern das gesamte Gerät. Das bedeutet: Wird z. B. der Motor einer Waschmaschine im Rahmen der Gewährleistung repariert, verlängert sich auch die Gewährleistung für die Wasser­pumpe um weitere 12 Monate. Und hier sprechen wir nur von einer Mindestanforderung der EU: Es kann also in Deutschland durchaus noch schlimmer werden.

PoS-MAIL: Und wie geht es nach der Gewährleistung ­weiter?

Verena Dvořák: Dann ist zunächst wichtig: Das nach der Gewährleistung geltende Recht auf Reparatur ist kein Recht auf kostenlose Reparatur. Die Kundinnen und ­Kunden sollen ein defektes Gerät zu einem angemessenen Preis innerhalb einer angemessenen Frist repa­rieren lassen können. Was der Gesetzgeber am Ende unter „angemessen“ ver­stehen wird, wissen wir nicht. Und wir wissen auch noch nicht genau, wie lange für ein ­bestimmtes Gerät Ersatzteile vorgehalten werden ­müssen. Einen Anhaltspunkt kann uns die in Deutschland bereits geltende Öko-Design-Richtlinie geben, die je nach Gerät eine Ersatzteil­verfügbarkeit von 7 bis 10 Jahren vorsieht.

PoS-MAIL: Wie können der Fach­handel und die Konsumenten erkennen, was für welches Gerät gilt?

Verena Dvořák: Dafür soll nach der EU-Richtlinie eine ­europaweit geltende Datenbank eingerichtet werden, die Informationen über die Reparierfähigkeit von Produkten und die Kosten dafür beinhalten soll. Die Hersteller sind verpflichtet, diese ­Informationen öffentlich anzubieten und die Reparaturleistungen zu kommunizieren.

PoS-MAIL: Was wäre aus Ihrer Sicht bei dem kommenden Gesetz besonders wichtig?

Verena Dvořák: Wir sollten Sicherheit bekommen, welche Produktgruppen von Anfang an betroffen sind und welche eventuell in Zukunft noch dazu kommen. Zudem sollte Klarheit geschaffen werden, dass es sich vorrangig um eine Pflicht der Hersteller handelt, die entweder selbst oder über ihre Niederlassungen bzw. Importeure dazu verpflichtet sind, dass die Geräte den Vorgaben ent­sprechen. Der Fachhandel ist in dieser Kette zuletzt ­verantwortlich, denn er ist ja darauf angewiesen, dass die Hersteller ihren Verpflichtungen nachkommen. Bereits heute erleben wir nicht selten, dass wir ein Gerät repa­rieren wollen, aber der Hersteller keine Ersatzteile ver­fügbar hat und deshalb einen Austausch vorschlägt. Hier ist es wichtig, dass der Gesetzgeber für Hersteller, die sich so verhalten, Sanktionen vorsieht – auch im Interesse der Anbieter, die sich an die Vorschriften halten und die Ersatzteile sowie die entsprechende Logistik vorhalten.

PoS-MAIL: Welche Rolle kommt dem Fachhandel dabei zu?

Verena Dvořák: Auch wenn die Hersteller in der Pflicht sind, können sie die Reparaturleistung auch delegieren – z. B. an den Fachhandel und Kooperationen wie Euronics. Das ist im Prinzip nicht neu, denn es gibt heute nur sehr wenige Hersteller, die einen flächendeckenden Service in Deutschland aus eigener Kraft gewährleisten können. Deshalb arbeiten viele Anbieter bereits jetzt mit Vertragswerkstätten und Fachhändlern mit eigener Werkstatt gut zusammen.

PoS-MAIL: Wie unterstützt Euronics seine Mitglieder dabei, sich auf das Recht auf Reparatur vorzubereiten?

Verena Dvořák: Wir haben bereits frühzeitig damit angefangen, die Service-Kompetenz unserer Mitglieder durch gezielte Maßnahmen zu stärken. Dazu gehören z. B. das Euronics Service-Handbuch, die Qualifizierung von Personal als Elektrofachkraft für festgelegte Tätigkeiten und unsere Service-Akademie. Denn in Zukunft wird sich das Anforderungsprofil für die Beratung durch das Verkaufspersonal am PoS sowie durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Service stark verändern. Wir müssen deshalb die Menschen befähigen, Kunden bei Gewährleistung und Reparatur richtig zu beraten. In der Euronics Service Allianz kooperieren wir zudem mit Partnern wie Reparatur-Werkstätten, aber auch Spezialversicherungen wie Wertgarantie, um unsere Mitglieder dabei zu unterstützen, ihr Angebot an Serviceleistungen weiter auszubauen.

PoS-MAIL: Sprechen Sie auch mit anderen Marktteil­nehmern, seien es Hersteller oder andere Kooperationen?

Verena Dvořák: Selbstverständlich. Das geschieht zum einen unter dem Dach des BVT, wo wir uns mit ­Kolleginnen und Kollegen von Organisationen wie der EK Group, ­ElectronicPartner, expert, MediaMarktSaturn und Telering austauschen. In diesem Kreis werden wir uns auch über den Referenten-Entwurf aus dem Bundesministerium für Justiz austauschen. Zudem nutzen wir auch Plattformen wie den Kundendienstverband Deutschland, um mit Herstellern und ­anderen Marktteilnehmern ins Gespräch zu kommen.

PoS-MAIL: Die EU-Richtlinie sieht vor, dass jedes Land mindestens eine Förderungsmaßnahme durchführen soll, um das Bewusstsein der Endkunden für das Recht auf ­Reparatur zu stärken. Welche Wünsche haben Sie da für Deutschland?

Verena Dvořák: Es werden ja einige Maßnahmen diskutiert, z. B. der Reparatur-Bonus, den es in Österreich und zwei deutschen Bundesländern bereits gibt. Die bis­herigen Erfahrungen sind allerdings eher durchwachsen. Zum einen bringt ein Bonus-System viel Bürokratie mit sich, und wir haben gesehen, dass es sogar finanzielle ­Unregelmäßigkeiten gegeben hat. Zudem besteht die ­Gefahr, dass ein Bonus-System nur ein Strohfeuer entfacht, das wieder erlischt, wenn die Töpfe leer sind. 

Das haben wir ja bei der Elektromobilität gerade erlebt. ­Diskutiert werden auch Steuerbegünstigungen für Reparaturen, z. B. durch einen niedrigeren Mehrwert­steuer-Satz, dessen Auswirkungen aber kaum vorhergesagt werden können. Die Förderung von Reparatur-Cafés halten wir nicht für zielführend, weil der Service für technische Geräte Fachkräfte erfordert und sich zudem Fragen der Gewährleistung und der Sicherheit stellen.

Wir wünschen uns vor allem breit angelegte Kampagnen, um die Kunden darüber zu informieren, was das Recht auf Reparatur für sie bedeutet. In diesem Zusammenhang könnte auch das Thema Reparaturkostenversicherung eine Rolle spielen: Wenn die Reparaturkosten von einem Versicherer übernommen werden, ist das eine große Hilfe für viele Menschen, sich für die Instand­setzung ihrer ­defekten Geräte zu entscheiden, anstatt einen Neukauf in Erwägung zu ziehen. Denn eine Ver­sicherung gibt ihnen die Gewissheit, dass ihr Elektrogerät fachgerecht und kostenneutral repariert werden kann. Und wenn eine Reparatur nicht mehr möglich ist, könnte der Kunde im Idealfall eine Kostenbeteiligung erhalten, um eines neues energieeffizientes Gerät im Fachhandel zu kaufen.

PoS-MAIL: Das hört sich so an, als ob Sie in dem Recht auf Reparatur nicht nur Herausforderungen, sondern auch Chancen sehen.

Verena Dvořák: Das hört sich nicht nur so an, ich bin überzeugt davon, dass wir mit dem Recht auf Reparatur viele Möglichkeiten bekommen werden, existierende Geschäfts­modelle auszubauen und neue zu entwickeln. Die Zielsetzung der EU-Richtlinie ist ja mehr als sinnvoll, denn es herrscht ein großer Konsens, dass wir uns von der Wegwerfgesellschaft zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft entwickeln müssen. Damit das gelingt, muss das Recht auf Reparatur vom Gesetzgeber natürlich vernünftig umgesetzt werden. Das betrifft übrigens nicht nur die Regulierungen selbst: Wie gut das Recht auf Repa­ratur umgesetzt werden kann, hängt auch damit zusammen, ob es dem Gesetzgeber gelingt, das Problem des Fachkräftemangels zu lösen. Hier sollten endlich konkrete Maßnahmen eingeleitet werden.

PoS-MAIL: Werden die Chancen auch von Euronics Mitgliedern in ausreichendem Maße wahrgenommen?

Verena Dvořák: Wir verzeichnen ein starkes Interesse an unseren Informationsangeboten und auch an den ­Angeboten des BVT. Deshalb bin ich überzeugt davon, dass unsere Mitglieder, die ja alle aktive Unternehmer sind, bereit sind, die durch das Recht auf Reparatur entstehenden Chancen zu nutzen und die Umsetzung auch aktiv mitzugestalten.

PoS-MAIL: Frau Dvořák, wir danken Ihnen für dieses ­Gespräch.